"Alle Menschen wissen zu Beginn ihrer Jugendzeit
welches ihre innere Bestimmung ist. In diesem
Lebensabschnitt ist alles so einfach, und sie haben
keine Angst alles zu erträumen und sich zu wünschen,
was sie in ihrem Leben gerne machen würden.
Indessen während die Zeit vergeht, versuchen uns
mysteriöse Kräfte davon zu überzeugen, dass es
unmöglich sei, den persönlichen Lebensplan zu
verwirklichen."
Paulo Coelho
Darsteller
Olivia Ebert / Stella Hilb / Raoul Jochum
Lisa Künkel / Pia Lindner / Marijke van
Riksoort / Inga Wilczek / Susanne Wingen
Premiere
Gallus Theater Frankfurt
22. September 2003
Projekt
Ein Projekt der
Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim Gallus
e.V.
Opener
Sei ruhig, … schwimm weiter!
Aufführung Berlin
Ausgezeichnet mit der
Einladung
zum
25. Theatertreffen der
Jugend 2004 in Berlin
Aufführungsdaten
Die Jury zur Auswahl
zum 25. Theatertreffen der Jugend 2004
Der Vorhang geht auf und es wird laut - ein
schrilles, ohren-betäubendes Geräusch
bereitet Schmerzen, sinnliches Theater für
Ohr, Nase und Augen:
Schmiedewerkstattgeruch erfüllt den Raum
und der Funkenregen der gnadenlosen Flex,
die einen Käfig/Kinderwagen bastelt, wird zum
Zimmerfeuerwerk, das jenen Ur- Moment
zelebriert, mit dem alles beginnt - das Leben
nämlich: da liegt die Schwangere „guter
Hoffnung" auf dem Tisch. Ein Bild, das
sinnfällig die Grundidee des Stückes und das
Inszenierungskonzept verdeutlicht: Es geht
ums LEBEN (von der Wiege bis zur Wiege, der
ewige Kreislauf, der über das Einzelschicksal
hinausweist) - und das kann manchmal zum
Totlachen komisch sein, wenn endlich aufhört,
was weh tut
(Touch me!).
Und dann kommen die mediclean verkleideten
Suchenden, Grubenarbeiter in Sachen Geburt
und Erhellung, und weisen diskret interaktiv
auf einen „anderen Umstand" hin: Da is nix mit
Zurücklehnen! Das, was gleich kommt, ist nicht
unser Stück, sondern auch des Zuschauers
„Ding": Meine Damen, Sie sind schwanger!
Es wird eine schwere Geburt, choreografiertes
Warten & Zeit-totschlagen bis zu jenem
grandiosen Moment, wenn die Hebamme aus
den Untiefen des Weiblichen den „corpus
delicti" zieht: das Kind / das Stück / den Anfang
vom Ende des Anfangs... das Kind, das kurz
darauf wie für immer gewindelt der Liebe der
Welt ausgesetzt wird. Am Schluss des Stückes
kehren die Erwachsenen zurück in den Käfig
jedes Anfangs - ein Leben lang gefangen sein
in dem, was „determiniert" war. Die Kunst des
Scheiterns nämlich hat zwei Mütter: an den
Haaren herbeigezogene Fremdbestimmtheit
und Selbstverhinderungskunst.
Zwischen Anfang und Schluss ein Dazwischen,
ein Strampeln, ein Abstrampeln, vor, hinter
und zwischen den Vorhängen: 23 auf‘s
Wesentliche reduzierte, körperlich und
mimisch präzise gespielte Kurz- und
Kürzestszenen; 23 Versuche das Gehen zu
lernen; 23 flashartige Ein- und Draufblicke
rund ums Lebensgestolpere mit
überraschenden Wendungen (mal positiv, mal
negativ); 23 mal die Suche nach dem
aufrechten Gang (da kann schon mal was
verschütt gehn, seis‘s der Kaffee, sei‘s I shot
the Sheriff!); 23 bitter-humorige, im besten
Sinne clowneske Statiönchen, die in der
Summe nicht nur ein Leben ausmachen - mit
dem Strom oder gegen den Strom - das Leben
der Trockenschwimmer, mit
Wiedererkennungswert.
Peter Grosz
Beklemmende Botschaft
Frankfurter Rundschau vom 18. Mai 2004
Mit ihrer Eigenproduktion “Sei ruhig, ...
schwimm weiter! hat sich die Theatergruppe
der Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim im
Gallus für das Jugendtheatertreffen in Berlin
qualifiziert. Ein großer Erfolg: Von 172
Bewerbern aus ganz Deutschland wurden nur
acht Ensembles ausgewählt.
“Ich war dagegen, dich zu behalten.” “Das ist
Claudia, wir sind jetzt zusammen.” “Tschüss
dann, Frau Meier.”
Es sind Sätze wie diese, spärlich und gekonnt
eingesetzt, die den Atem stocken lassen in der
Jugend-Kultur-Werkstatt in der Herxheimer
Straße. Es ist die letzte Probe des Falkenheim-
Ensembles vor dem großen Auftritt am
Freitag. Vor einem Publikum aus ganz
Deutschland werden die acht Akteurinnen und
Akteure aus dem Rhein-Mein-Gebiet ihr Stück
“Sei ruhig, ... schwimm weiter!” beim
Jugendtheatertreffen der Berliner Festspiele
präsentieren.
“Sei ruhig, ... schwimm weiter!”: Der Titel, das
zeigt sich bereits nach wenigen Szenen, hat
mehr als nur einen zynischen Beigeschmack.
Die Schauspieler, zwischen 18 und 28 Jahre alt,
haben mit dem Regiesseur Georg Bachmann
traumatische Erlebnisse in verschiedenen
Lebensabschnitten, von der Geburt bis zum
frühen Erwachsenenalter, in einer
improvisierten Szenenkollage auf die Bühne
gebracht.: Eine Mutter eröffnet ihrer Tochter
an derem 18. Geburtstag, dass sie adoptiert
wurde. Kurz vor der Hochzeit gibt der
Bräutigam in spe zu, sich in die beste Freundin
seiner Lebensgefährtin verliebt zu haben.
Beim dritten Anlauf zur Magisterprüfung
lautet das Urteil der Professorin erneut “nicht
bestanden.” Die beklemmende Botschaft, dass
so etwas wie Freiheit bei der Planung von
Lebensentwürfen nicht existiert, symbolische
Käfige als einige der ganz wenigen Requisiten,
in denen sich die Schauspieler immer wieder
von innen an die Gitterstäbe krallen.
Von Anne Lemhöfer
theater et zetera
Theater hat seine eigene Wirklichkeit. Der
Zuschauer lehnt sich zurück und akzeptiert die
Spielregeln: So kann er in 90 Minuten ganze
Epochen an allen erdenklichen Orten der Welt
erleben - erschaffen auf den Quadratmetern
einer Bühne und der Imaginationskraft der
Schauspielerei.
Nicht anders verfährt theater et zetera. Nur
dass es dauernd die Spielregeln ändert - und
so Blicke auf ungesehene Realitäten öffnet.
Sei ruhig, …
schwimm weiter!
Gallus Theater Frankfurt / 22. September 2003