theater et zetera
Theater hat seine eigene Wirklichkeit. Der
Zuschauer lehnt sich zurück und akzeptiert
die Spielregeln: So kann er in 90 Minuten
ganze Epochen an allen erdenklichen Orten
der Welt erleben - erschaffen auf den
Quadratmetern einer Bühne und der
Imaginationskraft der Schauspielerei.
Nicht anders verfährt theater et zetera. Nur
dass es dauernd die Spielregeln ändert -
und so Blicke auf ungesehene Realitäten
öffnet.
So ein Theater
FRIEDRICHSDORF Bühnenprojekt „et zetera“ bietet Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Zeitgeistthemen und sich selbst
VON KLAUS SPÄNE
Die Gesichter grell weiß geschminkt, der Kopf unter
einer weißen Haube verborgen, der restliche
Körper ebenfalls ganz in weißes Textil gehüllt: Dazu
die rot geschminkten Münder. Futuristisch
kommen die Gestalten daher, erinnern wahlweise
an Außerirdische oder an die Woody Allen-Komödie
„Was sie schon immer über Sex wissen wollten“.
Mit beidem haben die Figuren aber nichts zu tun,
die die Darsteller im Alter zwischen 12 und 16
Jahren da verkörpern. Vielmehr könnte man es als
eine Art Allegorie bezeichnen, eine sinnbildliche
Umschreibung eines Themas.
In diesem Fall stammt die Szene aus dem Drama
„Andorra“ von Max Frisch. Fantasievoll umgesetzt
vom Theater „et zetera“ oder vielmehr einem
Ensemble des Projekts, das Jugendlichen laut
eigener Definition Lust auf Theater, Bühne und
Schauspiel vermitteln will. Wer sich in dem Milieu
etwas auskennt, verbindet „et zetera“ mit Frankfurt
und Rosbach, wo man bisher aktiv war. Demnächst
sollen auch die Friedrichsdorfer Jugendlichen die
Möglichkeit bekommen, ihre darstellerischen
Fähigkeiten auf professionellem Niveau
auszuprobieren. Aber um was geht es aber genau
bei „et zetera“?
Treffen mit Georg Bachmann, dem Kopf hinter dem
Projekt. Vielbeschäftigt ist der Mann mit dem
schwarzen Pork Pie Hut, wie sich die
Kopfbedeckung mit schmaler, nach oben
gebogener Krempe nennt. Vor kurzem war er in der
Philipp-Reis-Schule, um sein Projekt vor allem in
sämtlichen sechsten Klassen vorzustellen. Auch
weitere Schulen in der Umgebung will er noch
abklappern oder hat es bereits getan. PR in eigener
Sache.
Im Prinzip handle es sich bei „et zetera“ um
verschiedene Angebote für unterschiedliche Al-
tersgruppen und Interessen. Im Mittelpunkt steht
ein Inszenierungsprojekt namens „Ensemble Eleven
23“. Es wendet sich an Jugendliche ab der
Jahrgangsstufe sechs. Ziel ist es, ein Stück auf die
Bühne zu bringen. Damit verbunden ist
Schauspieltraining und auch die gemeinsame
Suche nach Themen und Geschichten. Als
Stoffsammlung bezeichnet Bachmann diese Phase.
Nach und nach stoße dann zum Kern vor – „wie bei
einer Zwiebel“. Ab Mai soll dieses Projekt starten
und zehn Wochenenden dauern.
Eine weitere Schiene betrifft die jüngeren Mädchen
und Jungen. Sie spielen ein Stück nach Vorlage.
Aber auch hier gehe es um Themen, die „wirklich
angesagt sind“. Darüber hinaus ist eine
Textwerkstatt geplant, in der die Teilnehmer lernen,
wie Bühnentexte geschrieben werden.
Zum Kern vorstoßen wie bei einer Zwiebel
Altershomogen sollen die einzelnen Gruppen
zusammengestellt werden, sagt Bachmann. Also
weniger ein Generationen übergreifendes Konzept,
wie es etwa bei der Burgspielschar in Burgholz-
hausen der Fall ist. Mit der im übrigen bereits
zusammenarbeitete. In der Größenordnung von
Minimum acht Leuten. „Damit ein Ensemble
spürbar ist“, sagt Bachmann. Er selbst ist ein alter
Hase in diesem Metier mit buntem Lebenslauf.
Bachmann, Jahrgang 1962, ist von Haus gelernter
Elektroinstallateur, der später auf Sozialpädagogik
umsattelte. In dieser Zeit kam er viel mit
kultureller Bildung in Berührung, bevor er sich der
Theaterarbeit verschrieb und verschiedene
Stationen durchlief, darunter auch eine
Ausbildung zum Clown (siehe Box).
Seit 1994 ist er als Freiberufler mit eigenen
Projekten unterwegs. Nach dem Umzug Anfang
der 2000er Jahre nach Rosbach hatte er neben
Frankfurt ein zweites Standbein. Dann kam
Corona, das die Aktivitäten massiv einschränkte.
Schließlich Ortswechsel nach Burgholzhausen und
Neustart
In der Hugenottenstadt sieht er
ein gutes Pflaster für seine Theaterarbeit. Mit dem
Kulturamtsleiter Jonas Steinert und Bürgermeister
Lars Keitel (Grüne) habe er schon gesprochen.
„Eine schöne Bereicherung für Friedrichsdorf“,
lautete das Urteil Steinerts nach dem Erstkontakt.
Resultat war auch, dass man eine Kooperation
vereinbarte. Keine finanzielle Unterstützung, aber
bei der Sommerbrücke 2024 soll es eine
Zusammenarbeit geben; für 2023 sei es zu
kurzfristig gewesen.
„Ich habe hier eine Offenheit gespürt“, sagt
Bachmann. Kein Wunder bei der großen Affinität
zum Theater in der Stadt nebst kleiner lokalen
Szene in Gestalt der Burgspielschar und des Eng-
lish Drama Clubs. Außerdem die zahlreichen
externen Angebote wie zuletzt das Theaterfestival
„Starke Stücke“, an dem sich die Stadt seit Jahren
beteiligt.
Noch mal zurück zu „et zetera“. Im Gespräch mit
Bachmann schimmert immer wieder ein
ganzheitlicher Ansatz des Projekts durch, bei dem
viele Elemente hineinspielen: Entwicklung von
Körperbewusstsein, Sprach- und
Sprechkompetenzen, Vertrauen in Gruppe und
eigene Fähigkeiten, Erlangen von Sozial-
kompetenzen, Entwicklung von Ausdruck und
Kreativität.
Nicht zu vergessen, ein Schlüsselelement, der
partizipative Gedanke. „Die Idee dahinter ist, den
Jugendlichen ein künstlerisches Forum für
Zeitgeistthemen zu geben“, sagt er. Das Theater
sei ein gutes Medium, sich mit sich selbst und dem
auseinanderzusetzen, was Gleichaltrige beschäfti-
ge, sagt Bachmann. Sein Auftrag sei, „genau
hinzuhören, worum es geht und zusammen mit
den Jugendlichen den Weg zu beschreiben“.
Zu diesem Weg gehören am Ende die öffentlichen
Veranstaltungen. Als Gastspiel auch in Schulen
denkbar wie auch Probenbesuche von Klassen.
Und nach den einzelnen Shows kann sich
Bachmann Nachbesprechung mit den Zuschauern
vorstellen. Seine Erfahrung: „Die dauern teils
länger als das Stück selbst.“ Überhaupt wäre es
schön, so seine Idealvorstellung, wenn eine
öffentliche Diskussion entstünde und das Projekt
nicht einfach verpuffe.
Ein Leben für das Theater
Georg Bachmann ist in Sachen
Theater breit aufgestellt. Das
fing im Anerkennungsjahr als
Sozialpädagoge in der Hessi-
schen Jugendbildungsstätte in
Dietzenbach beim Theater Willy
Praml an. Es folgten Ausbildung
zum Beleuchter; Ausbildung zum Spielleiter im szenischen
Spiel; Ausbildung zum Clown an der Schule für Tanz und
Theater in Hannover; langjährige Zusammenarbeit mit Gerry
Fla-nagan vom „shifting sands theatre“ in Derbyshire,
England. Theatermacher im Bereich Kinder und
Jugendtheater und mit Erwachsenen. Bühnenproduktionen in
Zusammenarbeit mit Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim
Gallus Frankfurt, Burgspielschar, SchultheaterStudio in
Frankfurt sowie Schulen in Rhein-Main.
Taunuszeitung
über theater et zetera
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